
Wirtschaftsbarometer Verarbeitendes Gewerbe
Die Ungewissheit hinsichtlich der globalen geopolitischen Entwicklungen und die anhaltende Nachfrageschwäche haben zu einem leichten Rückgang des Geschäftsklimas im Südtiroler Verarbeitenden Gewerbe geführt. Insgesamt rechnen 88 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer mit einer befriedigenden Rentabilität im Jahr 2025, allerdings gibt es starke Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen. Dies geht aus der Sommererhebung des Wirtschaftsbarometers vom WIFO – Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen hervor.
Das Geschäftsklima im Südtiroler Verarbeitenden Gewerbe ist von der schwachen Nachfrage nach Industrieprodukten betroffen. Dies zeigt sich auch in der leicht rückläufigen Auslastung der Produktionskapazität, die derzeit bei 84 Prozent liegt. Die Umsatzentwicklung ist in den einzelnen Branchen sehr unterschiedlich: In der Lebensmittelbranche und im Druckgewerbe melden die Unternehmen eine Zunahme des Geschäftsvolumens, während in der Holzverarbeitung eine Stagnation und im Textilsektor sogar ein Rückgang des Umsatzes zu verzeichnen ist. Auch die Auslandsverkäufe leiden weiterhin unter der globalen Ungewissheit. Im ersten Quartal 2025 beliefen sich die Exporte aus Südtirol (ohne landwirtschaftliche Erzeugnisse) auf rund 1,6 Milliarden Euro, was einem realen Rückgang von 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal entspricht. Dieser Rückgang ist vor allem auf die Bereiche Elektro- und Elektronikgeräte, Metallverarbeitung und Maschinenbau zurückzuführen. Der Export von Fahrzeugkomponenten verzeichnete hingegen eine starke Erholung. Die derzeitige Schwächephase spiegelt sich auch in der Beschäftigungslage wider: In der ersten Hälfte des Jahres 2025 waren im Südtiroler Verarbeitenden Gewerbe durchschnittlich rund 35.100 Mitarbeiter beschäftigt, was einem Rückgang von 0,7 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr des vergangenen Jahres entspricht.
Die Rentabilitätserwartungen unterscheiden sich erheblich zwischen den einzelnen Branchen. Besonders optimistisch ist man im Bereich der Herstellung von Maschinen und Fahrzeugkomponenten, wo die Rentabilität von fast allen Unternehmen zumindest als befriedigend und in vielen Fällen als gut bewertet wird. Auch in der Holzverarbeitung und im Druckgewerbe sind die Erwartungen im Allgemeinen positiv. Die Einschätzungen im Bereich der Metallverarbeitung sind hingegen gemischt: Etwa ein Drittel der Unternehmen dieser Branche rechnet mit einer wirklich guten Rentabilität, während mehr als ein Fünftel eine schlechte Ertragslage bemängelt. Besorgnis herrscht weiterhin im Bereich der Textil- und Bekleidungsproduktion, wo fast vier von zehn Unternehmen davon ausgehen, dass die Rentabilität heuer unbefriedigend sein wird.
Der Präsident der Handelskammer Bozen, Michl Ebner, betont: „Der gesamte europäische Fertigungssektor befindet sich in einer Phase tiefgreifender Veränderungen und ist von den Auswirkungen der Handelsspannungen mit den Vereinigten Staaten bedroht. Kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) müssen in dieser schwierigen Phase unterstützt werden, beispielsweise durch Anreize für Investitionen und den technologischen Wandel, um Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung zu erhalten.“
Anmerkung: Das Verarbeitende Gewerbe umfasst alle Tätigkeiten, welche mit der Herstellung von Waren verbunden sind, wie zum Beispiel die Produktion von Nahrungsmitteln, Textilien und Bekleidung, Holzgegenständen und Möbeln, chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen, Kunststoffwaren, Metallerzeugnissen, Maschinen, Geräten, Fahrzeugen usw.
Es folgen die Stellungnahmen der Vertreter der Wirtschaftsverbände:
Cristiano Cantisani, Präsident des Südtiroler Handwerkerverbandes CNA
„Die US-Zölle von 15 Prozent, zusätzlich zur 15-prozentigen Abwertung des Dollars in den letzten Monaten, werden gravierende Auswirkungen auf die Südtiroler Exporte haben. Alle Produkte des „Made in Italy“ werden davon betroffen sein. Wir brauchen Unterstützung auf nationaler und Landesebene, um die Wettbewerbsfähigkeit durch Investitionen zu erhöhen und gleichzeitig die Inlandsnachfrage zu stützen, um Absatzverluste bzw. Gewinneinbußen außerhalb der EU-Grenzen auszugleichen.“
Martin Haller, lvh-Präsident
„Die Auftragslage im Südtiroler Handwerk ist derzeit stabil, dennoch bereiten uns einzelne Bereiche Sorgen – insbesondere die Metallverarbeitung und das Textilhandwerk. In der Metallbranche spüren wir die sinkende Nachfrage infolge der angespannten Weltmarktsituation, während im Textilbereich die Konkurrenz durch massenhaft produzierte und zu Dumpingpreisen angebotene Importware zunehmend Druck ausübt.“
Alexander Rieper, Präsident des Unternehmerverbandes Südtirol
„Die weltpolitische Lage, die Einführung der US-Zölle: unsere Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, dass auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene rasch Maßnahmen getroffen werden, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, so z.B. die Beseitigung bürokratischer Hürden am europäischen Binnenmarkt. Eine zentrale Rolle wird zudem die Erschließung neuer Märkte spielen.“