
Herausforderungen im Südtiroler Einzelhandel
Südtirols Einzelhandel steht vor tiefgreifenden Veränderungen: Digitalisierung, Fachkräftemangel, Unternehmensnachfolge und Nachhaltigkeit prägen die Zukunft. Eine aktuelle Studie des WIFO – Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen zeigt, wie gut die Einzelhändler/innen auf diese Herausforderungen vorbereitet sind.
Im Jahr 2024 wurden in Südtirol insgesamt 4.580 Einzelhandelsgeschäfte mit einer Verkaufsfläche von 719.308 m² gezählt. Trotz eines leichten Rückgangs bei der Anzahl der Geschäfte sind in den letzten zehn Jahren die Verkaufsflächen gewachsen und die Nahversorgung ist in fast allen Gemeinden gewährleistet. Eine Besonderheit des Südtiroler Einzelhandels ist die enge Verknüpfung mit dem Tourismus. So generiert jeder dritte Betrieb über 40 Prozent seiner Einnahmen durch die Ausgaben touristischer Gäste.
Die Digitalisierung hat im Südtiroler Einzelhandel in den letzten fünf Jahren spürbare Fortschritte gemacht: Drei Viertel der Händler/innen haben einen Google-My-Business Eintrag, knapp 70 Prozent nutzen soziale Medien und mehr als 60 Prozent verfügen über eine eigene Webseite. Nur knapp jedes fünfte Unternehmen betreibt derzeit einen Online-Shop. Viele Händler/innen verwenden zwar auch digitale Tools zur Buchhaltung und Bestellverwaltung, der Einsatz von fortschrittlichen Technologien wie Künstlicher Intelligenz ist aber noch sehr begrenzt. Der Digitalisierungsgrad ist bei den größeren Händler/innen insgesamt deutlich höher als bei den kleineren Betrieben.
Weitere Herausforderungen gibt es bei der Mitarbeitersuche und -bindung. Persönliche Kontakte sind nach wie vor das wichtigste Rekrutierungsinstrument, soziale Medien gewinnen aber zunehmend an Bedeutung. Um für ihre Mitarbeiter/innen attraktiv zu sein, setzen die Betriebe vor allem auf flexible Arbeitszeitmodelle wie Teilzeit (65,6 Prozent) und übertarifliche Löhne (50,7 Prozent). Ausbaufähig sind hingegen die Weiterbildungsangebote und Karrierechancen.
In Bezug auf die Unternehmensnachfolge besteht großer Handlungsbedarf: Ein beträchtlicher Anteil der Geschäftsinhaber/innen sieht noch keinen Anlass, sich mit diesem Thema zu beschäftigten. Fast 20 Prozent der Betriebe drohen bei Ausscheiden der Inhaberin oder des Inhabers zu schließen, was zum Teil auf die schwierige Nachfolgesuche, aber auch auf die mangelnde Rentabilität und unklare wirtschaftliche Perspektiven zurückzuführen ist.
In puncto Nachhaltigkeit setzen viele Einzelhändler/innen bereits auf energieeffiziente und automatisierte Systeme. Häufig werden umweltfreundliche Dienstleistungen wie Reparatur- und Wartungsservices, Warenverleih und der Verkauf gebrauchter Produkte angeboten. Ein Großteil der Lebensmittelhändler/innen versucht Lebensmittelabfälle zu reduzieren und fördert Bio-, Fairtrade- und regionale Produkte.
„Um als Einzelhandelsunternehmen weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es wichtig, die Digitalisierung und Automatisierung gezielt voranzutreiben. Alle Einzelhändler/innen sollten ein Mindestmaß an Online-Präsenz aufweisen und bei den Prozessen - von der Bestellung über die Lieferung bis hin zur Bezahlung - verstärkt auch weitere digitale Instrumente nutzen“, betont Handelskammerpräsident Michl Ebner.
„Wir haben nicht nur die Aufgabe, die Nahversorgung in allen Südtiroler Gemeinden durch geeignete Rahmenbedingungen zu gewährleisten, sondern auch die große Vielfalt zu bewahren, die der Einzelhandel zum sozialen Leben und zum immateriellen Kulturerbe beiträgt. Wichtig sind dabei der Erfahrungsaustausch und die Analyse zukünftiger Szenarien, wie sie die Autonome Provinz mit der Plattform ‚Wirtschaft 2030‘ begonnen hat, um die Lebensqualität vor Ort und die regionalen Wirtschaftskreisläufe zu verbessern“, ergänzt Marco Galateo, Landeshauptmannstellvertreter und Landesrat für wirtschaftliche Entwicklung.
„Die Gewinnung und Bindung von Mitarbeiter/innen ist eine zentrale Herausforderung. Für die Zukunft ist es notwendig, noch flexiblere Arbeitszeitmodelle anzubieten. Vor allem sollte jedoch mehr in die Weiterbildung investiert und mehr Praktika und Lehrstellen angeboten werden. So kann die Attraktivität des Einzelhandels als Arbeitgeber gestärkt werden“, so Philipp Moser, Präsident des Handels- und Dienstleistungsverband Südtirol (hds).
Elena Messina Bonaldi, Präsidentin von Confesercenti Alto Adige Südtirol, unterstreicht hingegen die Wichtigkeit einer frühzeitigen Unternehmensnachfolge: „Die Fortführung des Unternehmens kann nur gewährleistet werden, wenn die Nachfolge frühzeitig angegangen wird. Dafür sollten auch Möglichkeiten für die Nachfolge außerhalb der Familie stärker in Betracht gezogen werden.“
Die Studie 1.25 „Zwischen Digitalisierung und Kundennähe: Die Herausforderungen im Südtiroler Einzelhandel“ liegt in der Handelskammer Bozen in gedruckter Form auf und steht auf der Website zum Download bereit.